Sonntag, 26. April 2009

Was ist HiFi?

HiFi gehört zu den Dingen von denen man zuerst intuitiv glaubt zu wissen was sie bedeuten, aber wenn man genauer nachdenkt wird der Fall immer unklarer.

Wenn man sich über die Bedeutung eines Begriffes nicht so recht klar wird kann man ein Lexikon konsultieren. Was steht also z.B. im deutschen Wikipedia? "Hi-Fi ist ein Qualitätsstandard für Audio-Wiedergabegeräte". Im englischen Wikipedia steht dagegen: "hi-fi reproduction is a term used by home stereo listeners and home audio enthusiasts (audiophiles) to refer to high-quality reproduction of sound or images that are very faithful to the original performance."

Das ist ein ziemlicher Unterschied, ob man von einem Standard redet oder von einem Begriff, den Enthusiasten benutzen. Entweder es gibt eine ziemliche kulturelle Differenz zwischen der deutschsprachigen und der englischsprachigen Welt, oder es ist schlicht unklar was der Begriff eigentlich bedeutet.

Die wörtliche Bedeutung ist natürlich "hohe Wiedergabetreue", so weit ist es noch einigermaßen klar. Aber was bedeutet das? Was ist Wiedergabetreue, und ab wann kann man sagen daß sie hoch ist? Oder hoch genug?

In Deutschland hatten wir's mal einfach. Wir hatten eine DIN-Norm dafür, die immer noch einigermaßen bekannte DIN45500. Da standen Mindestanforderungen drin, die ein Gerät erfüllen mußte um sich HiFi nennen zu dürfen. Die gilt inzwischen nicht mehr, zum Teil weil sie in verwässerter Form in eine internationale Norm eingegangen ist, und zum Teil weil sie mißverstanden, bekämpft, ignoriert und mißbraucht wurde, aber auch weil sie ihre Probleme und Unzulänglichkeiten hatte. Letztlich ist sie auch ein Opfer der Globalisierung, denn in anderen Weltgegenden hatte sie sich ohnehin kaum durchgesetzt, und als der Markt der braunen Ware auf der nationalen Ebene zu klein geworden war, und die fernöstliche Produktion die Norm wurde, war für die DIN45500 das Totenglöckchen geläutet.

Letzteres hat übrigens wenig mit Wiedergabequalität zu tun. Ich will damit jedenfalls nicht unterstellen die fernöstlichen Produkte seien HiFi-mäßig unterlegen. Eher schon geht es darum welche Stecker man verwendet und welchen elektrischen Schnittstellendefinitionen man den Vorzug gibt. Die DIN45500 ist eben auch die Norm mit den DIN-Steckern (bzw. Diodensteckern). Die sind mit der DIN45500 verschwunden, und zwar zugunsten des Cinch-Steckers (in anderen Ländern auch Phono-Stecker oder RCA-Stecker genannt).

Manche Audiophile haben allerdings die DIN45500 als Feindbild aufgebaut, und zum Teil findet man noch heute, über 10 Jahre nachdem die Norm ausgelaufen ist, regelrechte Tiraden gegen die nicht mehr geltende Norm, so als wäre sie ein klangfeindliches Machwerk, ein Hindernis für echtes HiFi gewesen.

Das ist natürlich Unsinn. Auch als sie in Kraft war hat die Norm ja nicht verhindert daß man besser war als gefordert. Wer der Meinung war daß die Norm zu lasch war durfte ja besser sein ohne das Recht auf den Begriff HiFi zu verlieren. Ohnehin gab es keine Instanz die hätte verhindern können daß jemand den Begriff HiFi benutzt ohne sich um die Norm zu kümmern. Problematisch wurde es noch nicht einmal für solche Hersteller, die der Meinung waren, ihre Produkte könnten den Begriff "HiFi" beanspruchen, ohne die entsprechenden Anforderungen zu erfüllen. Die Norm wurde also beschuldigt, zugleich zu lasch und zu eng zu sein. Was die Normerfüllung behauptete klang nicht automatisch gut, und was gut klang war nicht automatisch normkonform.

In Wirklichkeit war und ist das ein Mißverständnis darüber was der Sinn einer Norm ist. "Gut klingen" ist ein subjektives Kriterium und kann schon deswegen nicht genormt werden. Sinn einer Norm ist, zu erreichen daß die Dinge zusammenpassen. Genauer gesagt geht es darum daß man mehrere Geräte zusammenstecken kann, und darauf vertrauen kann daß das Ergebnis eine einwandfrei funktionierende und qualitativ vorhersehbare Anlage ist. Das ist nicht selbstverständlich, und für technische Laien ein extrem wichtiger Faktor.

Wenn also in der Norm z.B. bestimmte Klirrwerte für Elektronik-Komponenten gefordert werden, dann war der Zweck nicht der, das klangliche Optimum festzulegen, sondern dafür zu sorgen daß nicht ein einzelnes Gerät das Gesamtergebnis deutlich ruinieren kann.

Von audiophiler Seite wurde aber so getan als würde die Norm die entwicklerische Freiheit knebeln, als würde dadurch das Mittelmaß erzwungen, als würden die in der Norm geforderten Mindestwerte als für alle Fälle ausreichend festgelegt. Als würde man nicht besser sein dürfen.

Was guter Klang ist kann man tatsächlich nicht normen, das ist dafür zu sehr Geschmackssache. Hifi ist aber etwas Anderes: Da geht es darum wie nahe am Original die Wiedergabe ist. Das kann eben von Fall zu Fall auch heißen daß der Klang schlecht ist, nämlich wenn das Original ebenso schlecht ist. Wie nahe ein wiedergegebenes Schallereignis am Original ist kann aber durchaus objektiv festgestellt werden und somit auch genormt werden. Dazu braucht man nämlich bloß den Unterschied zwischen Original und Wiedergabe zu untersuchen und dafür eine Obergrenze festzulegen.

Dazu gibt's allerdings Mehreres anzumerken.

Zuerst einmal: Was ist eigentlich das Original? Man denkt gern es sei das Konzert oder die Performance der Künstler, deren Darbietung man anhört. Stimmt nicht. Es ist die Aufzeichnung, also der Inhalt des Mediums das man abspielt. Die CD beispielsweise. Wenn das gleiche Konzert einmal auf CD und einmal auf LP veröffentlicht wird dann sind das verschiedene Originale, die sich bei originalgetreuer (HiFi-mäßiger) Wiedergabe auch in aller Regel verschieden anhören werden, selbst wenn sie von den gleichen Masterbändern stammen. Das ist dann kein Fehler der Wiedergabeanlage.

Nächstens, und weitaus interessanter: Wie bewertet man den Unterschied zwischen Original und Wiedergabe, und damit die Wiedergabetreue? Da gibt's mehrere Herangehensweisen:
  1. Man kann technisch an die Sache herangehen und Meßverfahren festlegen, und auf deren Grundlage dann Grenzwerte für die gemessenen Unterschiede erarbeiten, bei deren Einhaltung man dann mit ausreichender Sicherheit davon ausgehen kann daß die Unterschiede nicht mehr relevant sind.
  2. Man kann statistisch arbeiten und untersuchen welche Unterschiede von den Leuten noch als unbedeutend bewertet werden, und dann Grenzwerte auf der Basis von statistischer Relevanz festlegen. Die Relevanz macht sich dann daran fest welcher Prozentsatz der Leute den Unterschied wie stark bemerken.
  3. Man kann sich an individueller Präferenz orientieren, was letztlich eine allgemeine Bewertung verneint. Wenn's dem Einzelnen paßt, ok - wenn nicht, dann Pech.
Die erste Methode war für die DIN45500 typisch. Die Meßverfahren drehten sich hauptsächlich um Verzerrungswerte, aber auch um Rauschabstände und Ähnliches. Die Motivation dahinter war die Erkenntnis daß der Mensch und sein Gehör nur beschränkte Fähigkeiten hat solche Fehler zu hören, und wenn man die Fehlergrenzen nur niedrig genug legt würde man "auf der sicheren Seite sein".

Die Geräte und Anlagen, die aus dieser Methode resultierten waren zwar einesteils besser als die Geräte zuvor, und der Ansatz somit ein Erfolg. Man braucht sich dazu nur anzusehen wie die Lage vor Einführung der DIN45500 in den 70er Jahren war. Andererseits waren sie aber zugleich zu gut und zu schlecht. Zu schlecht weil durch bloße Einhaltung der Norm noch nicht garantiert war daß das Gerät in allen Fällen gut klang. Zu gut weil in bestimmtem Sinn es auch noch weit schlechter gegangen wäre ohne daß das hörbar gewesen wäre. Beides ist letztlich ein Zeichen dafür daß die angewendeten Meßverfahren nicht ganz mit den Eigenschaften des Gehörs korreliert haben.

Das wird seit den 80er Jahren mehr und mehr konkret eingesetzt, und ist letztlich auch der Tod von HiFi gewesen.

Auf der einen Seite entstand die High-End-Bewegung, für die die eigene Wahrnehmung über jeder Meßtechnik steht, nach dem Motto: HiFi ist was mir gefällt. Nach dieser Philosophie sieht man durch die rosa Brille klarer als durch die ungetönte Brille, wenn das der persönliche Eindruck ist.

Auf der anderen Seite entstand die psychoakustische Audiotechnik, für die anstelle der Meßtechnik die Eigenheiten der Wahrnehmung die wichtigste Rolle spielen. Das fängt an mit Dolby und ihren Rauschunterdrückungsverfahren, geht weiter über MP3 und die Verwandten, und macht noch nicht Halt bei Baß-Boost und Raumsimulationen. Je mehr Psychoakustik desto übler werden in der Regel die konventionellen Meßwerte, und doch ist die gehörmäßige Beeinträchtigung gering.

Die beiden Seiten begegnen sich typischerweise mit einem gehörigen Mißtrauen, um nicht zu sagen einer gepflegten Feindschaft, und doch sind sie sich ironischerweise näher als sie realisieren, denn beide Seiten legen den Schwerpunkt auf die Wahrnehmung, im Gegensatz zu den objektiven Meßwerten. Der Unterschied ist daß die Einen die Wahrnehmung glorifizieren, während sie die Anderen nutzen.

Und damit sind wir wieder bei der Bedeutung des Begriffes HiFi: Wenn es auf die Wahrnehmung ankommt, egal ob es der individualistische Blickwinkel des Audiophilen oder der psychoakustische Blickwinkel des Dolby- oder Bose-Ingenieurs ist, dann bedeutet es wie gut der Konsument das Ergebnis findet, und die Grenzwerte alter Normen spielen dabei keinerlei Rolle.

Freitag, 10. April 2009

Wie die Faust auf's Auge

Kaum ist die virtuelle Tinte meines vorigen Blog-Artikels trocken, werde ich auf den neuesten Verstärker-Test der Stereoplay 05/2009 aufmerksam gemacht. Und was für einen kapitalen Bock wir da doch haben, der blöde auf der Lichtung herum steht und auf seinen Abschuß wartet!

Wenn's bloß einer der diversen normalen Verstärkertests gewesen wäre hätte sich das Finger krumm machen wohl kaum gelohnt, und auch die Sensationen gibt's bei der Stereoplay seit Jahrzehnten im Dutzend billiger. Aber diesmal behaupten sie den meßtechnischen Nachweis für Verstärkerklang zu haben! Der meßtechnische Nachweis, der ultimative Maulkorb für skeptische Technokraten, das Nirvana für den Audiophilen!

Meßtechnischer Nachweis für Verstärkerklang? Kein Problem, hätte ein halbwegs informierter Praktiker bisher gesagt: Man nehme auf der einen Seite einen vernünftig konstruierten Verstärker, und auf der anderen Seite einen der diversen Verstärker, die nach einer bescheuerten High-End-"Philosophie" konstruiert sind, der man die Verantwortungs- oder Ahnungslosigkeit des Konstrukteurs anmerkt, und es müßte schon mit dem Teufel zugehen wenn letzterer nicht eine meßtechnische Auffälligkeit zeigen würde, die für einen hörbaren klanglichen Effekt locker ausreicht.

Möglichkeiten gäbe es dafür ja viele: So schlampiges (sorry: spartanisches) Design, daß sich Störungen in Form von Brummen oder Hochfrequenz-Einflüssen bemerkbar machen (muß ja nicht so schlimm sein daß es direkt auffällt). Oder reichlich Verzerrungen, was besonders bei den Gegenkopplungs-Hassern gern genommen wird. Oder ein so "sensibles" Design daß sich der Frequenzgang durch die Impedanzkurve des angeschlossenen Lautsprechers verbiegen läßt.

Aber nein, nichts von alledem, man hat eine andere Entdeckung gemacht:

Lautsprecher verhalten sich "reaktiv", das heißt sie speichern Energie und schieben sie in Form von Strom gelegentlich zurück zum Verstärker. Und nicht alle Verstärker reagieren darauf gleich.

So haben sie es nicht ausgedrückt, aber darauf läuft es hinaus. Herausgefunden haben sie dieses Phänomen indem sie den Strom gemessen haben, der in der Lautsprecherleitung fließt, und zwar indem sie einen 0,1 Ohm Widerstand in die Leitung eingefügt haben und die daran abfallende Spannung gemessen haben. Sehr clever. Das Ohmsche Gesetz haben sie also schon mal verstanden.

Der Praktiker schließt daraus daß das Stereoplay-Labor die sehr nützliche Anschaffung einer guten Stromzange bisher noch nicht getätigt hat, die diese Messung noch erheblich vereinfacht hätte. Ich habe mehrere. Für einen Moment empfand ich Mitleid. Aber dann fiel mir auf dem Foto das Audio Precision System 2 Dual Domain ins Auge...

Wie dem auch sei, die Stereoplay hat damit ein Phänomen entdeckt, das einem Praktiker von vorn herein klar war und seit Jahrzehnten bekannt. Die Ironie des Ganzen ist daß sie das sogar mit einer Lautsprecher-Simulation (also einer "stummen" Nachbildung der elektrischen Eigenschaften eines Lautsprechers, gebaut aus Kondensatoren, Widerständen und Spulen) gemessen haben. Wenn man schon so weit geht, dann gesteht man zu daß man lediglich das idealisierte Verhalten so einer Nachbildung zugrunde legt, und den realen Lautsprecher nicht braucht, und von da aus könnte man leicht auch den Schritt zur kompletten Simulation im Rechner machen.

Die kleinen Unterschiede zwischen den Stromkurven zwischen den verschiedenen Verstärkern werden nun dafür verantwortlich gemacht daß sie unterschiedlich klingen. Da fliegt der Mist dann vollends in den Propeller. Einem Praktiker wäre sofort klar daß die gezeigten Unterschiede auf eine unterschiedliche Quellimpedanz (= Ausgangswiderstand) des Verstärkers zurückgehen müssen. Das erwähnt die Stereoplay noch nicht einmal. Stattdessen wird wie selbstverständlich behauptet daß dadurch Verzerrungen entstehen würden. Und zwar umso mehr je höher die Ströme werden.

Welch manifester Unsinn das ist läßt sich verdeutlichen wenn man sich klar macht das Lautsprecher ganz bewußt so entwickelt werden daß sie im Verstärker eine möglichst ideale Spannungsquelle voraussetzen. Der Ausgangswiderstand des idealen Verstärkers ist Null Ohm, der Dämpfungsfaktor damit unendlich. Die automatische Folge davon ist daß die Ströme, die aufgrund der reaktiven Natur des Lautsprechers entstehen, maximal werden. Der Effekt dieser Ströme ist eine Dämpfung der Lautsprecher-Chassis, das heißt sie dürfen nicht ihrer Massenträgheit nachgeben und rumwabbeln bzw. nachschwingen, sondern sie folgen den Vorgaben des Verstärkers. Die Ströme sind der Nebeneffekt dieser "Kontrolle". Der Begriff des Dämpfungsfaktors soll daran erinnern, und nicht umsonst hat man (auch die Stereoplay) uns in der Vergangenheit immer erklärt, der Dämpfungsfaktor müsse möglichst hoch sein.

Was man jetzt behauptet läuft auf das Gegenteil hinaus: Zu große Kontrolle würde angeblich Verzerrungen produzieren, ein klangverfälschendes Nachschwingen, eine Gefahr für einen "natürlichen Klirrverlauf". Erhoffen Sie keine Erklärung dafür, das wird einfach so behauptet, und man erwartet daß Sie das glauben! Es ist auch schwer zu erklären, denn ein hoher Dämpfungsfaktor verhindert ja gerade ein Nachschwingen, das sich andernfalls aus Massenträgheit ergeben würde! Was ein "natürlicher Klirrverlauf" bedeuten soll bleibt selbstredend ebenfalls im Dunkeln. Für mich wäre kein Klirr der natürlichste Klirr, aber ich fürchte so war's nicht gemeint.

Dementsprechend wird auch behauptet die leicht unterschiedlichen Stromkurven verrieten Verzerrungen. Mir verraten sie das jedenfalls nicht. Am Stromverlauf kann man die Verzerrungen, die ein Lautsprecher produziert, nicht erkennen, jedenfalls nicht auf die gezeigte Art. Auch dafür fehlt selbstverständlich jede weitere Erklärung im Artikel. Die Art der Unterschiede in den gezeigten Kurven deuten dagegen sehr direkt auf einen leichten Unterschied der Quellimpedanz hin, und zwar ist sie umso höher je niedriger die Kurve zu liegen kommt. Wenn man von der Stereoplay erfahren würde wie das Ersatzschaltbild der verwendeten Lautsprechersimulation aussieht, dann wäre es ein Leichtes gewesen, den Effekt (also die Kurven) in der Simulation nachzuvollziehen. 10 Minuten Beschäftigung mit LTspice hätten genügt. Nebenbei wäre dabei abgefallen welche Ausgangsimpedanzen die verwendeten Verstärker gehabt haben - auch das ist dem Stereoplay-Artikel nicht zu entnehmen.

Wenn man schon von der Ausgangsimpedanz redet kommt man fast automatisch zur Gegenkopplung. Wie schon der Erfinder der Gegenkopplung, Harold Black, vor 75 Jahren wußte, reduziert die Gegenkopplung die Ausgangsimpedanz. Das ist eine von diversen nützlichen Eigenschaften der Gegenkopplung, und wenn man alle nützlichen Eigenschaften zusammen nimmt kommt man unweigerlich zum Ergebnis daß die Gegenkopplung vermutlich eine der besten Erfindungen der gesamten Menschheitsgeschichte ist. Besser sollte man wohl sagen: Entdeckungen, denn die Natur benutzt haufenweise Gegenkopplungen schon seit Anfang der Zeit, ohne daß es dazu den Menschen gebraucht hätte.

Eine so mächtige Technik birgt ihre Risiken, und das kann auch mal ins Auge gehen, aber dadurch wird der Wert der Technik nicht geschmälert. Es ist daher eigentlich unverständlich warum der Ruf der Gegenkopplung in der High-End-Szene so schlecht ist, und auch die Stereoplay einstimmt in den Chor derjenigen, die sie ablehnen. Aber nach meiner bisherigen Erfahrung liegt das einfach daran daß sie über den Horizont der meisten Audiophilen geht. Was sie nicht kapieren kann in ihren Augen nichts taugen, so scheint die einfache Logik zu sein. Schon der wahrhaft beschränkte Einwand, die durch die Gegenkopplungs-Schleife bewirkte Korrektur käme immer zu spät, legt vom Unverständnis ein beredtes Zeugnis ab.

Wie weit dieses Unverständnis geht zeigt sich deutlich am Stereoplay-Artikel. Der beste Verstärker dort wird deswegen gelobt weil die Ausgangstransistoren nicht in die Gegenkopplungs-Schleife mit aufgenommen sind. Die unweigerliche Folge davon ist nicht nur ein höherer Ausgangswiderstand, wie sich in der Messung dann ja auch bestätigt, sondern auch ein erschreckend hoher Klirrpegel.

Die Reduktion des Klirrs ist ein anderer wichtiger Nutzen der Gegenkopplung, von daher überrascht dieses Ergebnis keineswegs. Was aber die flache Hand auf der Stirn aufschlagen läßt (oder die Stirn auf der Tastatur) ist die Tatsache daß dieser Klirrpegel anscheinend von der Stereoplay mit dem Klang des Verstärkers nicht in Zusammenhang gebracht wird!

Das ziehe man sich mal rein: Die Stereoplay testet einen Verstärker, von dem schon klar ist daß wegen seines Verzichts auf Gegenkopplung "über alles" damit zu rechnen ist daß höherer Klirr und höherer Ausgangswiderstand zu erwarten sind (siehe der alte Harold Black). Die Messungen bestätigen das eindrücklich. Der Klirr ist sogar so hoch daß man mit einer Hörbarkeit desselben rechnen muß, was für einen Audio-Verstärker wahrlich ein Armutszeugnis ist, sogar für einen der nur einen Bruchteil kostet. Trotzdem begibt man sich auf die Suche nach einer anderen Erklärung für den gehörten Unterschied, und wird fündig bei einem Effekt, der sich von selbst versteht, der genau entgegen der bisherigen "Weisheit" interpretiert wird, dessen Zusammenhang zum Gehörten einfach postuliert und keineswegs nachgewiesen wird, und dessen Auswirkungen völlig unerklärt und widersinnig bleiben. Chapeau!

Wenn das die Fähigkeiten der "Meßtechniker" bei der Stereoplay repräsentativ demonstrieren sollte, dann machen sie sich überflüssig. Besonders der gute Audio Precision läßt eine Krokodilsträne aus meinem Auge rinnen. So viel hochwertige Meßtechnik in den Händen von solchen Dilettanten! Perlen vor die Säue! Wenn ich nächstes Mal einen Vertreter von Audio Precision treffe werde ich ihm empfehlen, daß sie ihre Geräte nur an Leute verkaufen sollten die vorher einen Eignungstest bestanden haben. Das AP-Logo ist einfach keine gute Werbung in unmittelbarer Nachbarschaft von so einem Blödsinn.

Der Stereoplay empfehle ich die Abschaffung eines unter diesen Vorzeichen nutzlosen Meßlabors. Das Geld kann man einsparen, denn etwas Sinnvolles scheint nicht heraus zu kommen nachdem es kein Personal zu geben scheint, das in der Lage wäre die Messungen vernünftig zu interpretieren. Die angesprochene Zielgruppe der Audiophilen kann mit der Meßtechnik sowieso nichts anfangen und glaubt den gleichen Stuß auch ohne daß man ihn umständlich mit solchen Pseudomessungen hinterlegt. Den verständigeren Leuten schließlich erspart man so die Aufregung, in dem man signalisiert daß man da hin will wo die Stereo schon ist, und sich die Beschäftigung mit dem Inhalt nicht lohnt.

Samstag, 4. April 2009

Die großen Drei

Vor ein paar Wochen kam es im Hifi-Forum mal wieder zu einem Thread über Hifi-Zeitschriften. Das wäre nicht weiter bemerkenswert gewesen wenn nicht der Teilnehmer "Stones" die "Drei Großen", also Audio, Stereo, und Stereoplay, angeschrieben hätte und sie nach ihrer Position zu Blindtests gefragt und einen "öffentlichen" Blindtest angeregt hätte. Zu seiner eigenen Überraschung haben alle drei geantwortet. Ich finde die Antworten aufschlußreich genug daß sie mich zu diesem Blog-Artikel inspiriert haben.

Bevor ich hier durch meine Kommentare Voreingenommenheit erzeuge solltet Ihr am besten zuerst die Antworten lesen, die Stones hier, hier und hier veröffentlicht hat.

Ich gehe mal in umgekehrter Reihenfolge darauf ein. Der Kommentar der Audio zeigt wie blank die Nerven bei diesem Punkt liegen. Außer Polemik kommt absolut nichts. Wenn man die Tests und die Testergebnisse aus der Zeitschrift bezweifelt und nicht glauben mag daß sich die Testgeräte alle hörbar unterscheiden, dann ist man damit immer noch weit davon entfernt zu behaupten, alle CD-Spieler oder Verstärker klängen gleich. Wenn man aus der "Seriosität" dieser hingekotzten Antwort auf die angebliche Seriosität der durchgeführten Tests schließen kann, dann gute Nacht.

Der Kommentar der Stereoplay ist es schon eher wert daß man sich damit beschäftigt, was nicht heißen soll daß er überzeugender wäre. Sie behaupten immerhin explizit, regelmäßig Blindtests zu machen, und sie auch "Monat für Monat" zu "bestehen". Stattdessen schieben sie den Ball zurück ins andere Feld und behaupten, das öffentlich zu machen würde die Zweifel nicht ausräumen, man könnte schließlich immer einen Vorwand für die Ablehnung finden. Am interessantesten ist dabei der Verweis auf einen öffentlichen Blindtest, den die Stereoplay vor Jahren durchgeführt hatte. Man erweckt den Eindruck als sei der quasi eine Bestätigung für die Position der Stereoplay.

Es wird zwar keine genaue Angabe gemacht, aber es kann sich bei dem angegebenen Test eigentlich bloß um einen im Jahr 1990 veranstalteten Test handeln, über den in der Stereoplay 5/90 und der folgenden Ausgabe ein zweiteiliger Artikel von Karl Breh berichtete. Ich habe Kopien des Artikels vorliegen. Zwar war ich in den 80ern selbst Stereoplay-Abonnent, aber ich hatte das Abo zu früh gekündigt, und außerdem schon lange alle Hefte "entsorgt". Wenn man den Artikel liest und ihn mit dem Stereoplay-Kommentar vergleicht bekommt man einen Eindruck, wie weit die "Legendenbildung" auch bei der Stereoplay selbst schon fortgeschritten ist.

Zuerst zu den faktischen Fehlern: Laut Artikel hat die Jury 30 Leute umfaßt, und nicht 50. Ob das der größte bis dahin veranstaltete öffentliche Blindtest war kann man getrost bezweifeln.

Auch die Beschreibung der Testmethode ist völlig falsch. Auf DAT aufgezeichnet wurde gar nichts. Es gab in Wirklichkeit 2 verschiedene Tests. Der erste Test diente dem Vergleich eines von LP abgespielten Signals mit dem gleichen Signal, das zusätzlich eine A/D-Wandlung und wieder eine D/A-Wandlung durchlaufen hat. Die Frage war also ob eine solche Wandlerkette das Signal merklich verschlechtert. Es wurden dazu die Wandler in einem DAT-Recorder Pioneer D1000 benutzt, aber es sieht nicht danach aus als ob das Band dabei überhaupt lief. Der zweite Test versuchte speziell die CD mit ihrem Mastering-Prozeß zu überprüfen, wozu man von der LP abgespielte Stücke auf CD masterte, so daß man das Original von der LP mit der "Kopie" von der CD vergleichen konnte. Ein DAT-Laufwerk war hier nirgends im Spiel. Hier waren also gegenüber dem ersten Test zusätzlich zu den A/D- und D/A-Wandlern noch der Masteringprozeß der CD im Spiel. Die Wandler waren im zweiten Test natürlich andere als im ersten, beidesmal wird es sich aber um 16-bit/44,1 kHz Wandler gehandelt haben, auch wenn man das so explizit nicht gesagt bekommt.

Auch das Ergebnis stellt sich keineswegs so eindeutig dar wie man es uns heute glauben machen will. Schon bei der Lektüre des Artikels habe ich den Eindruck daß aus den Ergebnissen mehr heraus gelesen wird als drin ist, aber da die Ergebnisse wenigstens detailliert dokumentiert sind, kann man die Tabellen auch selbst studieren und interpretieren. Und die ergeben eben, daß im ersten Test von 9 Testredakteuren mindestens 6 so nahe an einem Zufallsergebnis lagen daß man beim besten Willen nicht davon reden kann daß hier so etwas wie eine Erkennung stattgefunden hat. Eine ordentliche Signifikanzanalyse findet leider nicht statt und es wurden augenscheinlich auch vor dem Test keine Signifikanzschwellen festgelegt, so daß schon deswegen ein gewisser Interpretationsspielraum verbleibt. Aber selbst im günstigsten Fall muß man sagen daß auch bei den Testredakteuren eine erfolgreiche Erkennung der Unterschiede die Ausnahme und nicht die Regel war.

Beim zweiten Test sind die Juroren nicht mehr aufgeschlüsselt, man kann also nicht mehr erkennen wie die Testredakteure gegenüber den übrigen Teilnehmern abgeschnitten haben. Bemerkenswert bei diesem Test ist allerdings daß es im Gesamtergebnis eine geringe Bevorzugung der CD gab, die ja eigentlich als Kopie von der LP höchstens schlechter als diese sein konnte.

Zudem sollte man sich das Alter des Tests vor Augen halten. Die dabei verwendete Technik ist von vor 20 Jahren, und die CD war erst ein paar Jahre auf dem Markt. Die damals verwendeten Top-Wandler werden heute in ihren technischen Daten teilweise von Billig-Chips überboten.

Ein solches Testergebnis also zum Anlaß zu nehmen sich auf die Brust zu klopfen, und wie selbstverständlich zu behaupten man könne alle diese Unterschiede routinemäßig hören und stelle das Monat für Monat unter Beweis, das ist schon eine ziemliche Chutzpe. Man fälscht quasi die eigene Geschichte und hofft darauf daß die Leserschaft schon nicht genauer nachsehen wird. Darauf aufbauend zieht man aus den Tests im Eigeninteresse genau den umgekehrten Schluß der eigentlich angebracht wäre, und stellt sich selbst einen Persilschein aus.

Da kann ich nicht anders als mich als "Internet-Stänkerer" (Audio) zu betätigen: Ich nehme solche Aussagen als einen starken Hinweis darauf daß man bei der Stereoplay tatsächlich keine Bodenhaftung mehr hat was die Einschätzung der Hörfähigkeiten angeht, und die ganze Kritik an deren Tests und Ranglisten finde ich dadurch bestätigt.

Beim Kommentar der Stereo fragt man sich ob man als Satiriker überhaupt etwas dazu schreiben soll, treiben sie die Realsatire doch schon selbst auf die Spitze.

Sie führen angeblich keine Blindtests durch weil man auch schon ohne Blindtests die Unterschiede problemlos hört. Entlarvend, nicht? Als ob es der Zweck von Blindtests wäre, möglichst viele Unterschiede zu hören. Schon klar: Wer Unterschiede hören will sollte sich mit Blindtests gar nicht erst aufhalten. Das ist ein alter Hut, und er illustriert aufs Deutlichste daß ihnen der Zweck eines Blindtests völlig unklar ist, und - so kann man vermuten - auch der Zweck von Tests im Allgemeinen. Um die Realität geht's hier jedenfalls eindeutig nicht, denn wer das Hören eines Unterschieds als Wert an sich betrachtet, der kann die Realität nur als störend betrachten.

Was für eine "freihändige" und jede nüchterne Einstellung zu Blindtests völlig negierende Position die Stereo hat wird aus dem weiteren Text jedenfalls mehr als klar. In gewissem Sinn ist die Antwort der Stereo daher die konsequenteste der drei Antworten. Man hält sich gar nicht erst mit den Tatsachen auf. Wozu Blindtests oder überhaupt Tests da sind, und was die Wissenschaft dazu zu sagen hat, ist völlig uninteressant. Das Hören von Unterschieden ist zum Zweck in sich geworden, und alles Andere einschließlich der beteiligten Geräte wird zum Hilfsmittel dafür.

Auch die zum Teil wirklich weit ausholenden Analogien stoßen mit ihrer völligen Sinnfreiheit ins gleiche Horn. Wenn sich jemand in einem Gerätevergleich die Unterschiede herbeifabulieren kann, dann kann er ebenso mühelos auch einen Zusammenhang mit der Stringtheorie herbeifabulieren. Freie Assoziation eben, keiner Realität, keiner Seriosität und keiner Nachvollziehbarkeit verpflichtet.

Ich gebe zu: Die Antwort der Stereo amüsiert mich, während mich die beiden anderen eher ärgern. Die Stereo weiß offenbar wenigstens wo sie steht und stehen will. Man hat sich eindeutig für das Audiophilen-Klientel entschieden mitsamt ihrer Weltfremdheit und Hörelite-Dogmatik. Denen liefert man die Denkschablonen und die Dogmen, die Gruppenidentität und das Selbstbewußtsein. Jede zur Schau gestellte Objektivität, falls man sich darum überhaupt bemüht, ist Fassade. Entweder man nimmt das ernst, und ist damit selbst vom dazugehörigen Denkschema infiziert, oder man nimmt es als eine ordentliche Dosis Realsatire, die umso besser ist je ehrlicher die Redakteure von ihrem Gemache überzeugt sind.

Audio und Stereoplay versuchen dagegen eine Grätsche, die eigentlich nicht gut gehen kann. Sie wissen offenbar nicht wo sie stehen und wo sie hin wollen. Entweder man spricht den kritisch denkenden Leser an oder den selbstbezogenen Subjektivisten. Je mehr man sich dem einen zuwendet desto mehr schreckt man den anderen ab. Dabei ist es generell schwieriger, jemanden zu gewinnen als zu verlieren. Das ist das Problem: Auch wenn der Markt eine nüchterne und rationale Zeitschrift durchaus vertragen könnte, ist doch keineswegs klar daß sie auch vom Fleck weg ausreichend Abonnenten bekäme. Das Terrain ist schlicht und einfach vergiftet, die Anhänger einer rationalen Linie sind schon längst vergrault, und ihr Vertrauen ist auch nicht im Handstreich zurückzugewinnen.

Wenn man dazu noch einen Teil seiner eigenen Vergangenheit verleugnen müßte wird's extra schwierig. Der Subjektivismus und die Blindtest-Muffelei sind eine schiefe Ebene, auf der man unweigerlich tiefer rutscht wenn man nicht aktiv dagegen arbeitet. Die Fehler die man auf dem Weg nach unten gemacht hat werden einem auf dem Weg zurück unweigerlich um die Ohren gehauen. Man kann zumindest die kritischen Geister eben nicht für dumm verkaufen und danach wieder ihr Vertrauen einfordern.

Ich glaube daher daß es mit dem Weg zurück nach oben für die Stereoplay und die Audio nichts werden wird. Vorübergehende Tendenzen bei der Audio scheinen schnell wieder untergegangen zu sein, und ich meine auch zu verstehen warum. Es liegt in der Logik der Sache. Bloß wartet auf der schiefen Ebene weiter unten schon die Stereo. Da wird's ungemütlich eng werden.