Sonntag, 23. Oktober 2011

Fuchshafte Erkenntnisse

Eigentlich wollte ich ja was über die neuliche Häufung von Dilettanten schreiben, die sich im Hifi-Forum als Ingenieure oder langjährige Entwickler vorstellen, und dabei erkennbar völlig unfähig sind. Aber das wird mit der Zeit langweilig. Bezeichnend ist allenfalls, daß sich deren Thematik am meisten um die simpelsten Komponenten der Hifi-Technik drehen, nämlich den Kabeln, denn da kann man wenig falsch machen. Ein einigermaßen funktionierendes Kabel kann auch der größte Dilettant noch zusammenpfriemeln, auch wenn im Falle von Netzkabeln dabei immer wieder die relevanten Sicherheitsvorschriften übergangen werden.

Wobei, es gibt genaugenommen eine Klasse von Leuten, die noch größere Dilettanten sind, nämlich diejenigen, die Nippes verkaufen der überhaupt keine Funktion hat. Irgendwelche Objekte aus Stein, Holz, Metall oder Filz, die nichts bewirken, und daher auch nichts falsch machen können.

Wenn man dabei bedenkt, wie weit solche Leute wohl kämen wenn es darum ginge, ein Gerät von einer nennenswerten Komplexität eigenständig zu entwickeln, dann ist man froh daß sie bei Kabeln bleiben. Die wären oft schon mit dem Nachbau eines fertig entwickelten Bauplans überfordert. Nennenswerte Komplexität fängt bei einem Verstärker gerade mal an, und wirklich interessant wird's erst bei so Dingen wie einem AV-Receiver, einem Netzwerk-Streaming-Player, oder einem Aktivlautsprecher mit Aktivweiche.

Interessanter finde ich es aber, wenn Leute dem Voodoo Vorschub leisten, die es eigentlich besser wissen müßten. Leute, die schon gezeigt haben daß man sie nicht als Dilettant abtun kann. Leute, die sich nicht deswegen mit Kabeln beschäftigen weil sie für schwierigere Dinge zu blöd wären. Wo man aus diesem Grund den Verdacht bekommt, daß sie entweder einen seltsamen blinden Fleck in ihrem technischen Blickfeld haben, oder aber einen blinden Fleck in ihrer Moral, verbunden mit dem Willen, von der hohen Gewinnspanne bei Kabeln zu profitieren.

Drum beschäftige ich mich heute mal mit den "Erkenntnissen" von Walter Fuchs, die er schon seit etlichen Jahren auf der Webseite seiner Firma stehen hat, ohne daß er sich mit Kritik daran in irgend einer erkennbaren Form auseinader setzen würde. Und diese Kritik gibt's schon lange, wie man z.B. hier sehen kann.

Fuchs hat schon etliche Male gezeigt daß er funktionierende und verkaufsfähige Audiogeräte eigenständig entwickeln kann (z.B. SAC IGEL). Dilettantismusverdacht besteht also definitiv nicht. Warum veröffentlicht er dann ursprünglich in der Hörerlebnis Ausgabe 23, und seither auf seiner Webseite, so ein kritikwürdiges Machwerk? Er könnte und müßte es besser wissen! Es paßte zwar zur Klientel des Hörerlebnis, aber warum konserviert man die Peinlichkeit unkommentiert und unkorrigiert über viele Jahre auf seiner eigenen Webseite? Weil man sich bei einer audiophil eingestellten Kundschaft als Dienstleister anbiedern will, und dafür gern auch mal die eigene Seriosität auf's Spiel setzt?

Die Peinlichkeit besteht dabei nicht darin, daß falsche Aussagen gemacht würden, sondern darin, daß immer dann, wenn es darum ginge, einer angerissenen Frage auf den Grund zu gehen, und ein konkretes Beispiel mal bis zum Ergebnis durchzuziehen, Fuchs vorher mit einer Suggestivformulierung genau an dem Punkt aufhört, an dem man Farbe bekennen müßte, und nach dem sich dann auch herausstellen würde wie falsch die Richtung ist, in die die Suggestivformulierung deutet.

Gehen wir das mal im Einzelnen durch, und zwar am Beispiel des Abschnitts "Lautsprecherkabel".

Fuchs beginnt seine Argumentation mit dem Anspruch an Lautsprecherkabel, sie sollen nämlich "möglichst verlustfrei und ohne eigene Klangfärbung das Signal vom Endverstärker zur Lautsprecherbox transportieren". Das sollte einigermaßen selbstverständlich sein, und ich bin mit ihm darüber einig. Sollte man dann nicht erwarten können daß er genau diese Punkte untersucht? Daß er also untersucht, a) wieviel Verlust, und b) wieviel Klangverfärbung in einem realistisch gewählten, konkreten Beispiel auftreten wird.

Tut er aber nicht. Er fängt mit dem ganz Grundsätzlichen an, wogegen nichts spräche wenn das dann als Grundlage für die weitere Argumentation gebraucht würde. Es bleibt aber stecken.

Daß ein Kabel mit den vier Parametern Widerstand, Ableitung, Kapazität und Induktivität beschrieben ist, so lange man noch keine Welleneffekte berücksichtigen muß, ist einfache Leitungstheorie. Wenn es aber darum gehen würde, sie anzuwenden, kneift Fuchs. Man könne nichts Generelles sagen wenn es um die Frage geht welches Lautsprecherkabel es brauche, meint er. Wozu hat er dann die Leitungstheorie eingeführt? Und wovon konkret hängt die Frage dann ab? Die Pauschalaussage "Von Verstärker und Lautsprecher" ist ein Allgemeinplatz, der keinen Millimeter weiterhilft. Und es werden bereits Empfehlungen aus der dünnen Luft gezogen ("möglichst wenig Widerstand"), von denen nicht zu sehen ist wie sie aus den eben vorgestellten Grundlagen folgen. Nicht daß ich sagen wollte sie wären falsch, aber sie sind eben nicht begründet worden, und schon gar nicht auf die dargestellten Grundlagen gegründet worden.

Der Allgemeinplatz wird stattdessen zum Anlaß genommen, den Begriff des Dämpfungsfaktors einzuführen, was gleich zum nächsten Allgemeinplatz führt: Das Kabel sollte möglichst kurz sein. Das als Argument für Aktivboxen zu werten ist allerdings für einen Verstärkerentwickler wie Fuchs ziemlich lahm. Kurze Lautsprecherkabel kriegt man auch mit Monoblocks und Passivboxen. Der entscheidende Vorteil von Aktivboxen besteht darin, daß man jedem Chassis seinen eigenen Verstärker geben kann, und die Passivweiche wegfällt. Im Wegfall der Passivweiche liegt erheblich mehr Potenzial als im kürzeren Kabel, wenn es um die von Fuchs angesprochene "Kontrolle" geht. Die Argumentation pro Aktivbox hat daher mit der Kabelfrage ziemlich wenig zu tun; der Wegfall eines LS-Kabels ist ein Vorteil, aber ein eher nebensächlicher.

Statt konkreter wird's hier immer windiger. So wird über mögliche Unterschiede des Kabelverhaltens zwischen dem Großsignalverhalten und dem Kleinsignalverhalten spekuliert, ohne daß auch nur ein Funken eines Hinweises darauf gegeben würde warum da ein Unterschied überhaupt auftreten soll. Die Induktivität und die Kapazität liefern prinzipbedingt dafür keinen Anhaltspunkt, weil sie nicht pegelabhängig sind, und einen anderen erwähnt Fuchs nicht. Ich habe auch nirgends einen Hinweis gesehen daß Fuchs inzwischen die von ihm angemahnten Untersuchungen durchgeführt hätte, und an der Zeit hat es seither bestimmt nicht gefehlt.

Der Hinweis auf die Gleichzeitigkeit verschiedener Frequenzen und verschiedener Pegel beim Abspielen von Musik ist schließlich vollends peinlich. Fuchs weiß sehr wohl daß ein Verstärker keine Frequenzen verstärkt, sondern einen Kurvenzug im Zeitbereich, egal wieviele Frequenzen in welcher Stärke darin enthalten sind. Die "Komplexität" des Signals für einen Verstärker hat mit dessen Frequenzgehalt ziemlich wenig zu tun. Ein Rauschsignal enthält alle Frequenzen gleichzeitig, und ist für einen Verstärker auch nicht schwieriger zu verstärken als ein Sinussignal. Ein Verstärker hat seine Grenzen in einer oberen und einer unteren Grenzfrequenz, und in der Last, die er höchstens antreiben kann.

Außerdem: Wenn er meint, ein Verstärker habe ein spezifisches Problem mit bestimmten Frequenzen oder Frequenzgemischen, also z.B. mit einer niedrigen Impedanz des Lautsprechers bei bestimmten Frequenzen, dann ist es kein Problem ein dafür passendes Testsignal zu erzeugen und den Effekt zu messen. Statt zu theoretisieren hätte er da mal ein konkretes Beispiel machen können, mit realistischen Werten und Geräten und Messungen. Hat er aber nicht. Er bleibt beim "Handwaving".

Sein konkretes Beispiel nach all der Theorie ist demnach auch ein im Ansatz steckengebliebener Versuch. Ein eigentlich begrüßenswerter Ansatz, das anhand praxisgerechter Zahlen durchzurechnen, ist das definitiv, aber dafür müßte man es auch durchziehen. Zudem wäre es nett, wenn er mit seinen Grundannahmen halbwegs konsistent wäre. In seiner vorigen Diskussion kommt der Lautsprecher einmal mit 8 Ohm Impedanz daher, später dann mit einem Impedanzminimum von 1,5 Ohm, und in der Konkretisierung danach redet er von einem angeblich "harmlosen" Beispiel mit einer Nennimpedanz von 4 Ohm, das nichtsdestotrotz (unausgesprochen) ein Impedanzminimum von um die 2,5 Ohm hat und damit eigentlich nicht mehr als legitime 4 Ohm Box durchgehen kann. Warum? Wofür das angezettelte Chaos?

Die gezeigte Stromkurve ist dann auch nicht überraschend. Der maximale Strom kommt eben bei der Frequenz vor an dem das Impedanzminimum des Lautsprechers zu finden ist. Und es sind Stromwerte, mit denen ein üblicher Verstärker problemlos umgehen können sollte. Klar, bei einigen Frequenzen ist es fünfmal mehr als bei anderen, aber warum sollte das ein Problem sein so lange der Verstärker den Strom liefern kann? Was hat das mit dem Kabel zu tun? Ein Kabel, das auf 5 Meter gerade mal 5 Milliohm Widerstand hat, sollte mit solchen Strömen erst recht kein Problem haben. Das ist Pillepalle.

Was er mit der Verstärkung darstellen will wird vollends obskur. Um den Verstärkungswert des Verstärkers kann es sich nicht handeln, das Kabel hat überhaupt keine Verstärkung, und das was er an der vertikalen Achse des Diagramms stehen hat ist eine Abschwächung, und keine Verstärkung. Es kann sich auch nicht um die Kabeldämpfung handeln. Und an dieser obskuren Stelle hört's auf und geht abrupt in eine Diskussion von Kontaktwiderständen an Klemmen über, die auch wieder keine konkreten Daten bietet. Fuchs hat eine krumme Kurve geliefert, damit scheint er schon zufrieden zu sein, und wenn es bloß letztlich die Impedanzkurve seines Lautsprecher-Simulationsmodells ist.

Wieviel Verlust durch das Kabel verursacht wird, zeigt Fuchs nicht. Und welche Klangänderung es bewirkt, zeigt er ebensowenig. Im Grunde verfehlt er damit sein eigenes, im ersten Satz genanntes Ziel zu 100%. Er zeigt gar nichts, denn kein Argument wird zuende geführt. Es hört immer an einer Stelle auf, an der Fuchs den Eindruck einer Bedeutung oder Bedeutsamkeit erweckt hat, ohne der Sache auf den Grund gegangen zu sein.

Das ist genau das Verhalten, das auch die Dilettanten im Hifi-Forum gerne zeigen: Man klatscht eine halbfertige, halbgare Argumentation hin, die einen gewissen Suggestivcharakter hat, und überläßt es dem Gegenüber, oder fordert ihn offen dazu auf, sich das mal durch den Kopf gehen zu lassen. Gerade so als ob der Beweis darin irgendwie verborgen wäre und durch Nachdenken offenbar würde. Wird er aber nicht. Es wird stattdessen offenbar, daß das Argument oder der angebliche Beweis immer an den entscheidenden Stellen aufhört.


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